Rationalität (2013)
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Abstract
Baecker plädiert dafür, die Rational-Choice Theorie in eine Risikotheorie umzuintertpretieren, da sie inherente Schwächen hat. Nach Wiesenthal (1987) beschreibt bzw. setzt diese Theorie einen Handlungstyp, der sowohl wachsende Möglichkeiten, als auch wachsende irreversible Problemlasten hervorbrachte. Rationales Handeln ist normativ (deskriptives Defizit). Rationale Entscheidung erzeugt Risiken, und man bedarf rationaler Entscheidung, um diese zu bewältigen. Rationalität, so die These von Baecker, ist eine Beobachtungsformel von und in Entscheidungsprozessen, die durch Risiko erweitert werden soll. Ebenfalls könnte von der Handlungsperspektive auf die Systemperspektive umgeschwenkt werden. Nach Kenneth Arrow (1974) handelt es sich bei der 'theory of decisions' eigentlich um eine 'theory of choices'. Entscheidungen stehen vor einer doppelten Unsicherheit: bzgl. des Ausgangs und bzgl. der Eingangshypothese. Das Problem der Rational-Choice-Theorie ist, daßniemand rational handelt, aber alle so tun, als würde jeder rational handeln (Baecker: Die Akteure leben in einer Welt, in der sie sich gegenseitig signalisieren, daßsie glauben, in einer Welt zu leben, in der es auf Rationalität ankommt: "Das Rationalitätsmodell ist demnach eine Beschreibungsformel der Binnenstruktur der Entscheidungsträger. Seine Normativität hat darin ihre Pointe, daßdiese Beschreibung vor allem für die Fremdbeobachtung angefertigt wird" S. 35). Nach Wiesenthal (1987) gibt es zahlreiche Kritikpunkte an der Rational-Choice Theorie: das Modell ist unzureichend bei mehreren Entscheidenden, wenn sich die Randbedingungen der Entscheidungssituation von Mal zu Mal ändern, sich der Entscheidende selbt in Anhängigkeit von seiner Umwelt ändert, die Entscheidungen die Ziele beeinflussen, Gegenspieler berücksichtigt werden müssen oder die Verbesserung der Handlungsoptionen ebenso wichtig für den Handelnden ist wie der unmittelbare Erfolg; oder auf den gemeinamen Nenner gebracht: das Modell hat seine Schwächen, wenn soziale Faktoren berücksichtigt werden. Herbert Siemon (1982) hat deshalb mit der 'bounded rationality' den Begriff erweitert. Die Beschränkungen kommen hier aus der Umwelt des Handelnden und wirken auf die Informationsverarbeitungskapazität ein. Wegen seiner Informationsverarbeitungskapazität, Kosten- und Zeitgründen sieht sich der Handelnde gezwungen, Stopregeln einzuführen, bei denen die Informationssuche beendet wird. Darüber hinaus gibt es viele soziologische Entscheidungstheorien, die Handeln innerhalb von Kontext interpretieren. (vgl. Baumgartner 1975). Das größte Problem für die Entscheidungstheorie ist der Zeitfaktor: Wieviel Ressourcen (insb. Zeit und Geld) sollen für die Information eingesetzt werden, aber auch: jede Entscheidung ist eine unter vielen, die vielleicht im Moment die beste ist, aber bei Information, die ich einen Tag später bekommen hätte, sich als falsch herausstellt. "In einem jüngeren Aufsatz hat Herbert Simon (1984) festgestellt, daßes die Aufgabe des Rationalitätspostulats ist, Markträumung sicherzustellen: Wer rational ist, nimmt Gelegenheiten zur Profit- oder Nutzensteigerung wahr, wo immer sie sich bieten. Allerdings stellt sich ihm ein gravierendes Problem: Wer immer rational sein will, rekurriert auf ein common knowledge, das ihm auch alle anderen Akteure als rational schildert (Arrow 1987)". Steckt nicht hinter dem Rationalitätspostulat eher, daßes in komplexen Systemen nicht viel zu riskant ist, Gelegenheiten wahrzunehmen? (39). Risiken sind für den Entscheidenden etwas ganz anderes als für diekenigen, die es real oder potentiell erfahren: für sie ist das Risiko eine Gefahr (siehe hierzu besser Bechmann, H.S.: ähnliche aber weiterführende Argumentation).
Bibliographic entry
Gigerenzer, G. (2013). Rationalität. In M. A. Wirtz & J. Strohmer (Eds.), Dorsch Lexikon der Psychologie (16. compl. rev. ed., pp. 1290-1291). Bern: Huber.
Miscellaneous
Publication year | 2013 | |
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Document type: | In book | |
Publication status: | Published | |
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Keywords: | risk rat choice |